Franz Bendt. Die Vollendung der Nernstlampe.
Die Gartenlaube, 1901, no. 16, pp. 391 - 392


Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit.

Die Vollendung der Nernstlampe.

Die Methoden der Beleuchtung erfreuen sich unter allen technischen Zweigen des weitesten Interesses; und das ist leicht zu verstehen. Hat doch jedermann täglich mit Beleuchtungsvorrichtungen zu thun, seien es nun Lampen oder Kerzen, Flach- und Auerbrenner, oder elektrische Glüh- und Bogenlampen. So fühlt sich wohl jeder bei beleuchtungstechnischen Erörterungen mehr oder weniger als Fachmann.

Während des letzten Jahrzehnts des neunzehnten Jahrhunderts vollzog sich auf dem Gebiet der Beleuchtungstechnik eine Umwälzung. Durch die Erfindung des elektrischen Glühlichtes wurde die damals allein herrschende Gasbeleuchtung in allen ihren Stellungen bedrängt und erschüttert. Das elektrische Glühlicht besitzt Eigenschaften, welche es fast zu einem "idealen" Lichtquell stempeln. Es befriedigt unser Schönheitsgefühl, es verunreinigt und erhitzt nicht die Luft, es ist wenig feuergefährlich, und es paßt sich endlich gleich gut der einzelnen wie der zentralen Form an. In allen diesen Beziehungen schlägt es das Gaslicht! In einem technisch nebensächlichen, praktisch aber allein maßgebenden Punkte muß es trotzalldem der Gasbeleuchtung weichen, nämlich im Preise. Das elektrische Glühlicht ist bis zum Augenblicke immer noch als das Licht der Reichen zu betrachten.

Es sind etwa zwei Jahre verflossen, da brachte auch die "Gartenlaube" die Nachricht, daß es dem rühmlich bekannten Physiker Professor Walter Nernst in Göttingen gelungen wäre, eine billige elektrische Glühlampe zu bauen, die nicht nur den oberen Zehntausend zugänglich ist.

Man hat dann in der Zwischenzeit von dieser Erfindung wenig gehört, bis endlich auf der Pariser Weltausstellung, im Pavillon der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft, die viel erwähnte billige Glühlampe dem Publikum wirklich vorgeführt wurde. Jetzt sind die Fabrikationseinrichtungen so weit gediehen, daß in kurzer Zeit die Massenherstellung der Nernstlampe beginnen kann.

Die physikalischen Grundlagen, auf welchen die Nernstlampe sich aufbaut, die technische Verwirklichung der Erfinderidee und die endliche Ermöglichung einer billigen und dabei in ihrer Ausführung gesicherten Massendarstellung bieten zusammen die beste Einsicht in das Ineinandergreifen von Theorie und Praxis. Eine der interessantesten Darlegungen auf technischem Gebiete ist denn unzweifelhaft auch die Schilderung von der Wanderung der Nernstlampe aus dem Laboratorium in den Fabriksaal.

Bekannlich besteht die elektrische Glühlampe, wie sie von Edison geschaffen wurde, aus einer luftentleerten Glasbirne, in der sich ein Kohlenfaden befindet. Geht ein elektrischer Strom unter hohem Druck durch den Faden, dann entwickelt sich das uns allen bekannte unvergleichlich schöne milde Glühlicht. Die Lampe Edisons in dieser Form verbraucht verhältnismäßig viel Strom und führt auch sonst, weil es unmöglich ist, einen luftentleerten Raum ganz abzudichten, zu vielen Stromverlusten. Allerdings gelang es inzwischen, den Druck, unter dem die Elektricität sich in der Lampe bewegt, zu steigern, um dadurch Ersparnisse in der Strommenge zu erzielen. Aber es ist nicht nur aus technischen, sondern auch aus physikalischen, Gründen, wie Nernst zuerst nachgewiesen hat, zweifellos geworden, daß alle Lampen, in denen "Elektricitätsleiter", wie Kohle, Metalle u. dgl., sich bethätigen, keine wirtschaftliche Ausnutzung des elektrischen Stromes zulassen. Wollte man, um das zu erzwingen, den elektrischen Druck noch mehr steigern, dann würden die Leiter der Energie des Drucks erliegen und zerfallen. -

Professor Nernst ist gleichsam von einer paradoxen Idee ausgegangen. Er machte sich an die Arbeit, eine elektrische Lampe aus Körpern aufzubauen, die der Elektricität den Durchgang versagen: aus elektrischen Nichtleitern! Aus theoretischen Überlegungen konnte Nernst folgern, daß die festen sogenannten Nichtleiter, z. B. das Porzellan und die neuerdings so viel genannten seltenen Erden, die in dem Auerstrumpfe eine so große Rolle spielen, sich zu vortrefflichen Elektricitätsleitern umwandeln, wenn sie erhitzt werden. Kurz, die Wärme macht einen Nichtleiter zum Leiter!

Eine Lampe, die als wesentlichen Teil einen Nichtleiter in sich schließt, verfügt über zwei hervorragend wirtschaftliche Eigenschaften. Ihr Glühfaden bedarf nicht des Schutzes der luftentleerten Glasbirne, weil die Nichtleiter auch im Sauerstoffe der Luft nicht verbrennen, und der Druck, unter dem der Strom wirkt, vermag bedeutend erhöht zu werden, ohne daß der Glühkörper zerfällt. Nernst verband sich, um eine solche Lampe, welche die Massenherstellung zuläßt, zu bauen, mit der Allgemeinen Elektricitätsgesellschaft in Berlin, die sich in gleicher Weise schon bei der Ausgestaltung der Edisonlampe bethätigt hatte und jedenfalls auf diesem Gebiet über die größte Erfahrung verfügt. Von den Lampen, die in vereinter Arbeit entstanden sind, wollen wir jene hier ein wenig ausführlicher behandeln, welche als reif für das Leben erklärt werden dürfen.

Die Lampe, welche zum Schutz gegen Luftzug in eine Mattglasglocke eingeschlossen zu werden pflegt, besteht im wesenlichen aus einem Nernstschen Glühkörper in Stäbchenform, um welchen sich, in verhältnismäßig weiten Windungen eine Platinspirale schließt (vgl. Fig. 1). Zu beiden führen die Enden des stromführenden Drahtes. Tritt der Strom in die Leitung, dann wandert er, da ihm der kalte Nernstkörper den Weg versperrt, durch die Platinspirale und veranlaßt sie zu glühen. Die nahe Glut trägt nun wiederum dem Nernstkörper die Wärme zu und macht ihn zum Leiter. Zunächst allerdings durchfließt ihn nur wenig Strom; aber auch dieser erhöht seine Eigentemperatur und vermehrt seine Leitungsfähigkeit. So nähert er sich immer mehr und mehr der höchsten Forderung, die an einen guten Leiter gestellt werden kann. Der Nernstsche Glühkörper wird rotglühend, er wird weißglühend und sendet endlich, bei einer Temperatur von 700 Grad der 100teilgen Skala, ein dem Tageslichte sehr verwandtes Licht aus. In diesem Augenblick wird durch einen kleinen Elektromagneten die Platinspirale, die als Vorwärmer diente, aus dem Stromkreis ausgeschlossen. Man kann den Vorgang sehr schön an unserem ersten Bilde und dem Stromschema (Fig. 2) verfolgen.

Nernst hat auch eine Lampe ohne automatischen Vorwärmer konstruiert, die für Werkstätten, Korridore und ähnliche Orte sich brauchbar erweisen dürfte. Sie besteht nur aus dem Glühkörper und den Zuleitungsdrähten. Die Vorwärmung geschieht durch ein Streichholz oder eine Spirituslampe; und die Schutzglocke ist deshalb nach unten offen. Auch das zeigen unser drittes Bild und das Schema (Fig. 4).

Ehe die neuen Lampen für reif erklärt wurden, ihren Weg in die weite Welt antreten zu können, mußten sie an vielen Tausenden von Exemplaren beweisen, daß sie sicher funktionieren, gleichgültig ob sie von einem Meßkünstler oder von einem Knechte gehandhabt werden. Die Zeit hat sich jetzt erfüllt; und die Nernstlampe kann, ihres Erfolges sicher, auf dem Weltmarkte erscheinen!

Die wesentliche Eigentümlichkeit der Nernstlampe besteht darin, daß sie nicht sogleich ihr volles Licht spendet, nachdem der Stromquell geöffnet wurde, sondern daß eine Zeit von etwa 10 Sekunden verfließen muß, bis durch die Vorwärmung der Strom die Fähigkeit erlangt hat, den Glühkörper zu speisen. Dann aber beginnen für den aufmerksamen Beobachter die Vorteile deutlicher hervorzutreten.

In den Direktionsräumen der Allgemeinen Elektricitätsgesellschaft in Berlin befinden sich an einer Wand nebeneinander eine Edinsonsche und eine Nernstsche Glühlampe, die in denselben Stromkreis eingeschaltet sind. Ein Meßapparat gestattet es, die verbrauchte Strommenge zu kontrollieren.

Nachdem die Lampen zur Thätigkeit gelangt sind und eine gleiche Lichtstärke erreicht haben, bemerkt man, daß der Zeiger der Meßvorrichtung der Edisonlampe mit großer Geschwindigkeit dahineilt, während der Zeiger am Apparat der Nernstlampe sich langsam und gemächlich bewegt. in der That braucht die neue Lampe nur die Hälfte der Strommenge, welche die Lichtspenderin Edisons zu ihrer Speisung nötig hat.

Diese Angabe ist übrigens nicht einmal ganz genau. Die Vorteile der Nernstlampe in ihrer heutigen Form sind noch größer. Das läßt sich allerdings nur klarlegen, wenn man sich der genau definierten physikalischen Einheiten bedient. Vergleicht man z. B. die Nernstlampe mit den bisher am meisten gebräuchlichen Edisonglühlampen von einer Leuchtkraft, die 16 Kerzen entspricht, dann ergiebt sich nicht nur eine Ersparnis im Stromverbrauch von etwa 30 Prozent, sondern auch zu gleicher Zeit eine Vermehrung der Helligkeit um 50 vom Hundert.

Ein wesentlicher Faktor bei der wirtschaftlichen Beurteilung eines Gebrauchsgegenstandes besteht ferner in seiner Lebensdauer. Nach den bisherigen Erfahrungen stellt sich diese für die Nernstlampe auf mehr als 300 Brennstunden.

Um eine neue Beleuchtungsmethode ohne Schwierigkeit zur Einführung bringen zu können, ist es die wesentliche Aufgabe einer klugen Geschäftsleitung, dafür Sorge zu tragen, daß am bisher eingeführten System nur wenig geändert zu werden braucht. So verhält es sich auch bei der Nernstlampe. Die Stromart, der Druck, unter dem er wirkt, ja sogar die Lampenfassungen, welche die älteren Edisonlampen vorraussetzten, finden auch bei der Nernstlampe Verwendung.

Die Nernstlampe ist also gebrauchsreif; und der Konsument wird den Unterschied des neuen Systems auch an den Rechnungen erkennen, aus denen er mit Vergnügen ersehen wird, daß der Stromverbrauch geringer geworden ist!

Franz Bendt.


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Revised 2023-08-03