Die Umschau 15(52):1076 - 1078, 1911 (1911-12-23)


Der Nernstsche Apparat zur Verflüssigung von Wasserstoff

Nach dem Helium ist Wasserstoff das am schwersten zu verflüssigende Gas; seine Siedetemperatur bei Atmosphärendruck liegt bei -252,6°, also kaum mehr als 20° über dem absoluten Nullpunkt. - Durch bloße Kompression läßt er sich nicht verflüssigen, das Gas muß vielmehr vorgekühlt werden, was heute nicht mehr schwierig ist, seitdem flüssige Luft zu billigem Preis käuflich ist. - Das Prinzip der Wasserstoff-Verflüssigungsapparate ist folgendes: Komprimiertes Wasserstoffgas (auf 70 - 150 Atmosphären), wie es käuflich zu haben ist, wird durch flüssige Luft gekühlt, die bei -195° siedet. Läßt man nun den gekühlten, komprimierten Wasserstoff sich ausdehnen, so kühlt er sich weiter ab und die so entstandene tiefere Kälte verwendet man von neuem zum Abkühlen des komprimierten Wasserstoffs. Schließlich gelangt man so zu einer so niedern Temperatur, daß sich der Wasserstoff verflüssigt. - Bisher waren die dazu verwendeten Apparate sehr kompliziert. In neuster Zeit hat jedoch Geh. Rat Nernst einen relativ einfachen, kompendiösen Apparat konstruiert, mit dem sich auch kleinere Mengen flüssigen Wasserstoffs herstellen lassen und bei dem es möglich ist, gleich in dem Apparat selbst, ohne umzufüllen, mit dem flüssigen Wasserstoff zu experimentieren. Zu diesem Zweck ist die eigentliche Verflüssigungskammer luftdicht verschlossen und in einem besonderen Vakuumgefäß (Fig. 2, H2) sammelt sich der verflüssigte Wasserstoff. Fig. 1 zeigt die Gesamtapparatur, Fig. 2 einen Schnitt durch das eigentliche Verflüssigungsgefäß.

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Fig. 1. Äußeres des Wasserstoffverflüssigungs-
apparates von Nernst.
Das eigentliche Verflüssigungsgefäß (vgl. Fig. 2) ist
durch einen Zylinder geschützt. Das Manometer,
rechts am Stativ, welches mit S1 (Fig. 2) verbunden
ist, gestattet die stete Beobachtung des über dem
flüssigen Wasserstoff herrschenden Drucks.

Fig. 2. Schnitt durch den Verflüssigungs-
apparat; veranschaulicht den inneren Bau des-
selben und den Gang des Verflüssigungsprozesses.
(Die Buchstaben sind im Texte erklärt.)

Der Vorgang ist folgender: Durch das Druckrohr Dr (Fig. 1 und 2) tritt der komprimierte Wasserstoff in den Apparat ein, gelangt dann zur Abkühlung in das Bad von flüssiger Luft, welches er in einer größeren Anzahl Windungen in engen Kupferspiralen b passiert, um darauf oben bei c in das Messinggefäß einzutreten, das sich in dem unteren Teile des Apparates befindet. Hier durchläuft es in 26 Windungen Dr die Strecke, in der sich das Wärmegefälle von der Temperatur der flüssigen Luft abwärts herstellt. Nachdem der Wasserstoff durch ein Ventil bei V und V1 auf nahe Atmosphärendruck ausgedehnt ist, kehrt er, um seine hierbei entstandene Kälte möglichst vollständig abzugeben, wiederum in 26 Windungen aus dem Kupfergefäß heraus und tritt schließlich oben durch die Röhre "Gas" ins Freie. Um auch die Kälte der verdunsteten Luft auszunutzen, muß dieselbe ebenfalls durch Windungen d laufen, bis sie durch die Röhre "Luft" ins Freie tritt. Axial durch den Apparat ist ein Neusilberrohr angebracht, in welches man das Gefäß B zu Experimentierzwecken einführt. Die Vorrichtungen V und V1 oben am Apparat sorgen zur Entfernung eventueller Verstopfungen durch ausgefrorene Luft.1)

Der Apparat liefert bei einer Strömungsgeschwindigkeit von 2 - 3 cbm etwa 300 bis 400 ccm flüssigen Wasserstoff pro Stunde; es entspricht dies einer Verflüssigung von 10% des hindurchströmenden Wasserstoffes. Vor Benutzung bläst man den Apparat mit komprimiertem Wasserstoff aus, um alle Feuchtigkeit zu entfernen. Hierauf füllt man in das äußere Vakuumgefäß flüssige Luft und bringt es mit dem Apparat in Verbindung, durch einen Gummiring G wird derselbe oben abgedichtet. Durch ein im Deckel des Apparates angebrachtes Rohr fügt man nach Bedarf flüssige Luft hinzu, so daß das Messinggefäß immer bedeckt ist. Ist innen die Temperatur der flüssigen Luft erreicht, so arbeitet man mit höherem Druck, 150 Atmosphären, worauf in 10 Minuten die Verflüssigung des Wasserstoffes beginnt. Will man den verflüssigten Wasserstoff umfüllen, so geschieht dies mit Hilfe eines bis auf den Boden des inneren Vakuumgefäßes reichenden heberförmigen Vakuumrohres, das vorher vorgekühlt wird.

Um den Druck im Innern des Messinggefäßes zu kennen, ist oben am Ende des Neusilberrohres ein Quecksilbermanometer angeschlossen (Fig. 1 und 2). Will man ständig über die Temperatur im eigentlichen Verflüssigungsraum orientiert sein, so führt man durch das Neusilberrohr ein Thermoelement ein, dessen Lötstelle sich auf dem Boden des inneren Vakuumgefäßes befindet.

1) Zeitschrift für Elektrochemie 1911, Nr. 17.


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Revised 2005-09-03