Kaiserliches Patentamt.

Patentschrift
Nr. 104872

Klasse 21: Elektrische Apparate und Maschinen.

Ausgegeben den 8. Juli 1899.


Dr. Walther Nernst in Göttingen.

Verfahren zur Erzeugung von elektrischem Glühlicht.

Patentirt im Deutschen Reiche vom 6. Juli 1897 ab.

Vorliegende Erfindung hat eine neue Art des elektrischen Glühlichtes zum Gegegenstande. Bei der bisherigen Verwendung desselben dienen Leiter erster Klasse (metallische Leiter) als zu erhitzende Widerstände. Diese sind aber deshalb principiell unzweckmäßig, weil sie stets außer Licht auch die ultrarothen Strahlen sämmtlich stark absorbiren, glühend also vorzugsweise emittiren, so daß nur ein kleiner Theil der hineingeschickten elektrischen Energie als Licht wiedergewonnen wird.

Auch der in letzter Zeit häufig gemachte Vorschlag, die Kohlenfäden einer Glühlampe mit Substanzen, wie Magnesia, seltenen Erden und dergl., zu überziehen, erscheint gänzlich verfehlt; denn die Strahlen, welche derartige Substanzen nicht emittiren, werden von ihnen auch nicht absorbirt und können daher nach wie vor ungehindert ins Freie treten; Strahlen aber, welche sie emittiren, werden ohnehin von der Kohle, die ja im Kirchhoff'schen Sinne ein schwarzer Körper ist, entsprechend ihrer Temperatur ausgesendet, und zwar in jedem Falle intensiver, als von der umhüllenden, offenbar stets kälteren Magnesia. Ebensowenig kann nach dieser Anschauung durch Mischung von Kohle und Magnesia oder dergl. etwas gewonnen werden.

Bei der Verwendung von Leitern zweiter Klasse (Elektrolyten) ohne jede metallisch leitende Beimischung als Glühkörper ist es hingegen principiell möglich, Material ausfindig zu machen, das glühend, wenigstens vorzugsweise, Strahlen solcher Wellenlänge emittirt, wie man sie als Licht empfindet; die ausgezeichnete Wirkung des Auerlichtes z. B. scheint wesentlich auf einem solchen Verhalten der benutzten Glühkörper zu beruhen. Versuche haben ergeben, daß es gelingt, Substanzen, wie Kalk, Magnesia und dergl., durch Ströme von mäßiger Spannung in intensiver Weißglut zu erhalten, ohne daß sie flüssig werden, und die Messungen ergaben, wie theoretisch vorhergesehen, eine bedeutende Überlegenheit des Wirkungsgrades dieser Glühkörper über den der bisher benutzten.

Beispielsweise lieferte ein kleiner, in freier Luft glühender Hohlcylinder aus gebrannter Magnesia (Länge 7 mm, Dicke 1,5 mm, Lumen ca. 0,4 mm) bei 0,23 Ampère Wechselstrom von 118 Volt Spannung (gleich 27 Watt) 31 Hefnerlampen gleich 26 Normalkerzen, also pro Watt 0,96 Normalkerzen. Es ist wohl nicht zweifelhaft, daß bei Benutzung größerer Glühkörper und entsprechend stärkerer Ströme, ferner durch Verwendung evacuirter oder mit Gasen, welche die Wärme schlecht transportiren, erfüllter Räume der Nutzeffekt noch erheblich steigen wird.

Es ist natürlich nothwendig, um einen guten Nutzeffect zu erzielen, daß man einen feuerfesten Elektrolyten benutzt, der seinem ganzen Querschnitt nach möglichst gleichförmig vom Strom durchflossen wird. Indem Jablochkoff (D. R. P. Nr. 1630) einen sehr leicht schmelzenden Elektrolyten (Kaolin) anwendete, benöthigte er eines Trägers hierfür, als welchen ihm die kälteren Theile seiner Kaolinplatte dienten, aber die Wärmeableitung durch das nicht vom Strom durchflossene Porcellan beeinträchtigt offenbar außerordentlich den Wirkungsgrad.

Die erwähnten Leiter isoliren bei gewöhnlicher Temperatur fast vollkommen. Wenn man sie aber stark erhitzt, wird ein Zusatnd erreicht, bei dem sie gut leiten, ohne zu schmelzen. Um einen galvanischen Strom (Wechselstrom oder Gleichstrom) von niedriger Spannung durch den Glühkörper hindurchleiten zu können, ist also eine vorgängige Erhitzung erforderlich. Während dieses bei Jablochkoff durch Funken geschieht, welche zwischen den an dem Glühkörper anliegenden Elektroden überspringen, oder durch einen an dieselben Elektroden angelegten Nebenschluß, wird nach vorliegender Erfindung hierzu eine Heizvorrichtung benutzt, die räumlich von diesen Zuleitungselektroden getrennt ist, damit dieselbe nach dem Anzünden leicht entfernt werden kann. Eine derartige Heizvorrichtung wird z. B. durch die Flamme eines Streichholzes geliefert.

Um eine störende Zersetzung des Elektrolyten zu vermeiden, wird man in den meisten Fällen Wechselstrom benutzen.

Patent-Anspruch:

Verfahren zur Erzeugung von elektrischem Licht mittelst Stäbchen, Röhrchen oder dergl. aus solchen Leitern zweiter Klasse, welche die Eigenschaft haben, bei gewöhnlicher Temperatur fast völlig zu isoliren, bei hoher Temperatur aber gut zu leiten, dadurch gekennzeichnet, daß man den Durchgang eines Stromes durch eine Vorwärmung des Leuchtkörpers in seiner ganzen Ausdehnung mittelst einer von den Elektroden räumlich getrennten Heizvorrichtung einleitet und alsdann den Leiter durch den Strom glühend und leuchtend erhält.


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Revised 2010-10-13